Die
Bücherlese

Nachtgespräche

von
A. Hauschner

Verlag Paul List – Leipzig

Alle Rechte vorbehalten
Copyright 1919 by Paul List, Leipzig

Druck von Grimme & Trömel in Leipzig

Nachtgespräche

Ich erlebte es auf einer Reise von Berlin nachWien. Der graue Tag war vorzeitig in die Nachthineingeglitten. Die Lampen in den Abteilen warennoch nicht angesteckt. Nur aus den Kronen der verschneitenBäume, die rechts und links den Zug umsäumten,fiel durch die trüben Scheiben ein unsicheresLicht. Die Menschen saßen wie in Käfigegepfercht, ohne Rücksicht auf die Vorrechte, die sieihrem Fahrschein dankten. Neben der Dame derSoldat, Körper an Körper Herr und Bauer. Zwischenden Bänken, auf den Gängen drängte sich dieMenge in unerwünschter wahlloser Gemeinsamkeit.Keuchend, schnaubend, als schnappe sie nach Atem,schleppte eben die Maschine ihre schwere Fracht über eine kleine Steigung. Oben angelangt, wollte siedie Fahrtgeschwindigkeit erhöhen, als sie sich miteinem Ruck, unter dem die ganze Wagengliederungsich bäumte, aufklirrend nach rückwärts warf. Grellschrie sie auf. Gleich einem Blutstrom spie sie Rauchund Funken. Ein Zittern lief durch ihre Flanken.Sie stand still. Eine gewissermaßen gefrorene Bewegungbekundete sich in der eingekeilten Menschenmasse.Aller Wahrscheinlichkeit entgegen gelang eseinigen geschickten Händen, verklemmte Türen aufzureißen.Wer konnte, kletterte hinunter, von obenwurden Fragen in die Dunkelheit geworfen. DieUnruhe hatte ihren Höhepunkt erreicht, als die Beamtenkamen, Aufklärung verbreitend: Fahrtunterbrechung.Vor der nächsten Haltestelle ist ein Zugentgleist.

Aufschwirrende Gerüchte von Beschädigung desBahnkörpers, Aufreißen der Schienen, begegnetendem gleichen Achselzucken wie die Wißbegierde nachder Dauer des unfreiwilligen Aufenthalts. Immerhinmußte die Mitteilung zu denken geben: es stehejedem frei, auszusteigen und im nächsten Dorf einObdach aufzusuchen oder sich in seinem Abteil einzurichten.Der Zug werde auf ein totes Gleis verschoben,wo ihn weder Störung noch Gefahr bedrohte.

Ich schloß mich einer kleinen Anzahl Mitreisenderan, die einem schlechten Nachtquartier den Vorzugstundenlanger Gefangenschaft in Mißgeruch unddichter Menschennähe gaben.

Wir standen, ein Häuflein schwarzer Punkte, aufdem hartgefrorenen Bahnsteigboden. Soweit dasAuge reichte, keine Anhäufung von Lichtern kräftiggenug, um das Dasein eines Dorfes zu verraten.Nur hier und da gegen das Massiv der Nacht einAufblinken, als ob ein Glühwürmchen vorüberflöge.Wir schlugen aufs Geratewohl einen nach rechtsabbiegenden Feldweg ein. Wortkarg marschiertenwir, die erstarrten Finger von der Last des Handgepäckszerschnitten.

»Haus in Sicht!« meldete die Vorhut. Klein,unscheinbar, der Giebel saß auf dem Erdgeschoß wieeine zu weite Mütze. Das Geräusch herannahenderSchritte reizte den im Inneren des Gehöfts freiumherlaufenden Hund zu einer wütenden Begrüßung.Im weiten Umkreis stimmten ihm die Brüder zu.Inmitten eines mißtönigen Bellkonzerts begannendie Verhandlungen mit dem Besitzer, der, unwirsch,eine Bildsäule der Gastfeindschaft, den Eingang mitseinem breiten Rücken sperrte. Er mochte die Zahlder Brotschnitten berechnen, die zu beschaffen wären,um so vielen Eßwerkzeugen zu genügen. Erst die Versicherung, es gehe uns vor allem um ein Feuer,den erstarrten Leichnam aufzutauen, zerbrach denlangsam ausgehöhlten Widerstand. Das Fremdenzimmerwurde aufge

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